Der Epikanthus ist eine zusätzliche Hautfalte im Bereich des Augenwinkels. Sie kann den inneren oder äußeren Lidwinkel teilweise verdecken und beeinflusst damit das Erscheinungsbild der Augenöffnung. Der Befund ist besonders bei Säuglingen häufig, da der Nasenrücken in den ersten Lebensjahren noch flach ist. Mit dem Wachstum des Nasenrückens, typischerweise bis etwa zum 6. Lebensjahr, wird die Falte in der Regel allmählich schwächer und fällt oft kaum noch auf.
Man unterscheidet zwei Formen:
Medialer Epikanthus
Beim medialen Epikanthus liegt die Hautfalte am inneren Augenwinkel. Diese Form ist die häufigste und bei Säuglingen sowie Kleinkindern zunächst ein normaler Befund. Sie tritt physiologisch bei etwa 2 % der gesunden Neugeborenen auf. Da der Nasenrücken in diesem Alter noch flach ist, wirkt die Hautfalte optisch ausgeprägter. Sie kann den Eindruck erwecken, ein Auge würde nach innen abweichen (Pseudostrabismus), obwohl die Augenstellung tatsächlich korrekt ist.
Der mediale Epikanthus lässt sich in zwei Unterformen unterscheiden:
Epikanthus tarsalis
Beim Epikanthus tarsalis entspringt die Hautfalte überwiegend vom Oberlid und verläuft über den inneren Augenwinkel. Diese Form ist in der europäischen Bevölkerung häufig und bildet sich meist mit zunehmendem Nasenwachstum zurück. In vielen asiatischen Bevölkerungsgruppen ist der Epikanthus tarsalis jedoch ein reguläres, genetisch bedingtes Gesichtsmerkmal ohne Krankheitswert (historisch auch als „Mongolenfalte“ bezeichnet; dieser Begriff gilt heute als veraltet und wird nicht mehr verwendet).
Epikanthus palpebralis
Beim Epikanthus palpebralis entspringt die Hautfalte sowohl vom Oberlid als auch vom Unterlid und überdeckt den inneren Augenwinkel deutlich stärker. Sie tritt häufiger bei Säuglingen mit sehr flachem Nasenrücken und bei bestimmten genetischen Syndromen auf.
Ein ausgeprägter oder dauerhaft persistierender Epikanthus palpebralis kann Bestandteil bestimmter Syndromkonstellationen sein, unter anderem bei:Down-Syndrom (Trisomie 21)
Zellweger-Syndrom
Lateraler Epikanthus
Der laterale Epikanthus ist selten und zeigt sich als Hautfalte am äußeren Augenwinkel. Er ist meist eine individuelle anatomische Variante, nicht abhängig vom Nasenwachstum und verändert sich daher kaum. Er beeinflusst die Augenstellung nicht und führt nicht zu Pseudostrabismus. Eine Behandlung ist nur bei ausgeprägter kosmetischer Beeinträchtigung sinnvoll.
Insgesamt handelt es sich beim Epikanthus überwiegend um eine harmlose anatomische Variante, die sich im Verlauf der physiologischen Gesichtsentwicklung häufig von selbst zurückbildet. Nur bei persistierenden, ausgeprägt palpebralen Formen kann er als Hinweiszeichen innerhalb einer syndromalen Fazies gewertet werden.
